Die Völser Hexenprozesse von 1506 und 1510

Textbeispiel. Erste Szene




Leseprobe


 

 

 

Die Völser Hexenprozesse


von 1506 und 1510

 

 

 

Eine szenische Bilderfolge

in 14 Bildern

 

 

 

 

von Elmar Perkmann

 

 

 

 

 

 

 

 

Schauplätze

 

1

Vor der Burgmauer zu Prösels

Wiese, eine Bank an die Mauer gelehnt. Arbeit an der Bauhütte, die das Holz für den Umbau herrichtet. Einige Arbeiter sind ab und zu zu sehen. Eine Torwache schaut aus dem Tor, beim Baumann bellt ein Hund. Requisiten: Kartenspiel, Schlüsselbund

 

2

Im Verlies

Dunkelheit, Fackellicht. Ein niedriger Gang, einige Zellen, teils mit roh behauener Holztür, teils mit Eisengitter liegen links und rechts davon. Glitschiger Boden, hallende Stimmen. Die Mauern sind roh und feucht. Requisiten: Fackel, Schlüsselbund

 

3

Vor der Burgmauer

Auf dem Weg vom Baumann zur Burg steht der Henkerskarren, ein Planwagen.

 

4

Beim Winklerhof vor dem Eingang

Eine Bank an der Mauer. Man hört Kühe muhen und Ketten klirren. Ein Hahn kräht. Bäuerliche Geräuschkulisse.

 

5

Vor der Kirchentür

der Pfarrkirche nach dem Gottesdienst am Sonntag. Einige Frauen unterhalten sich, andere Kirchgänger kommen aus der Kirche, horchen kurz zu, schütteln den Kopf und gehen ihres Weges. Dann kommt Pfarrer Lampl.

 

6

Vor der Burgmauer

 

 

 

7

Im Widum

Frühmesser Teininger mit Pfarrer Lampl beim Frühstück. Die Häuserin werkelt im Hintergrund an der Feuerstelle. Der Raum ist kahl und ungemütlich.

 

8

Vor der Burgmauer

 

 

9

In der Burg

Pfleger und Richter sitzen in einer getäfelten Stube bei einem Becher Wein und unterhalten sich.

 

 

10

Vor der Burgmauer

 

11

Auf dem Dorfplatz

Drei Männer, die von der Arbeit kommen, und zwei Frauen stehen zusammen und besprechen sich. Sie haben bäuerliche Gerätschaften dabei, eine Sense, einen Schubkarren.

 

 

12

Vor der Burgmauer

Die beiden Büttel stehen vor dem Burgtor. Man hört lautes Holzarbeiten, ab und zu Zurufe. Die Geräuschkulisse kommt von der Bauhütte hinter der Burg.

 

 

13

Im Gasthaus beim Windisch

Große Gaststube, kein Tresen, Holzspanlichter, wenige lange Tische. Der Wirt mit Haube auf dem Kopf geht durch die Reihen und unterhält sich mit den Gästen. Es sind etwa 10. Vor sich haben sie irdene Becher stehen.

 

 

14

In der Kirche

Glockenläuten. Die versammelte Gemeinde kniet auf dem Boden, Pfarrer Lampl auf der möglichst nicht barocken Kanzel. Düsteres Licht. Auf der Kanzel klebt eine Kerze.

 


 

Personen

 

A = Landrichter, herrisch, vornehm gekleidet, etwa 40

B = Jorg, ein Büttel, Kastelruther, weichherzig, gutmütig, etwa 25

C = Martl, ein Büttel, derb aber gutmütig, etwa 22

D = Bertl, Sohn des Züchtigers, sensibel, „fehl am Platz“, etwa 19

E = Bauarbeiter

F = Bauarbeiter

Y = der Pfleger, aristokratisches Verhalten, Gutshofbesitzer-Art, etwa 50

W = der alte Winkler, weich, einfach, linear, verhärmt, etwa 70

Bub = der 11jährige Enkel vom alten Winkler, neugierig

K, L, M, N, O sind jüngere Frauen, tratschsüchtig

X = Pfarrer Lampl, linear, klar, etwa 80

G = Frühmesser Teininger, weichherzig, etwa 40

S, T, U drei Bauleute

V, W zwei Frauen


1. Bild

Vor der Burgmauer

 

 

A = Landrichter

B = Jorg

C = Martl

 

A und B hocken vor der Burgmauer auf dem Boden und spielen Karten. Ein vornehm gekleideter Mann nähert sich den Beiden. A steht auf und geht ihm neugierig entgegen.

 

B

Wollt Ihr zum Pfleger, Herr?

A

Wo ist die Delinquentin, Bursche?

B

Welche Delinquentin? Wir führen hier keine Delinquenten. Das ist ein nobles Haus (lacht).

A

Was soll das heißen?

Na, Herr, Ihr steht vor der Herberge „Zum Burgfrieden“. Was habt Ihr geglaubt, was das ist?

A

Na warte, Bursche, ich werde dir Beine machen! Weißt du, wer ich bin?

B

Ihr seid der Hersicht nach ein Stadtfrack, ein gelackter. Wohl auf der Durchreise?

A

Was??

B

Das Gästehaus hier ist belegt. Voll, versteht ihr?

A

So, dann werde ich dich einmal aufklären, mein Lieber! Ich bin der neue Landrichter. Was fällt dir ein, dich hier so aufzupudeln?!

B

Oh, das tut mir aufrichtig Leid, ich wusste nicht -, nehmt es mir nicht übel, Herr, natürlich werde ich -. Von wem habt ihr gesprochen? Delinquenten sind sie ja alle (lacht schäbig). Außer mir natürlich (lacht verlegen), und euch, selbstverständlich. Ich –

A

Die Winklerin mein ich. Ich will zur Winklerin.

B

Ausgerechnet zur Winklerin? Ja wisst ihr denn nicht –

A

Ich bin dein Landrichter, hast du vergessen?! Also keine Widerrede.

B

Die Winklerin, die Winklerin, ja, die logiert im Untergeschoß. Angenehm bei dieser Hitze, die’s im Freien hat. Ws wollt ihr denn von der Winkerin, wenn ich fragen darf? Aus der ist doch nichts mehr heraus zu holen, die gibt nichts mehr her. Die ist ausgepresst wie ein Holzapfel. Wenn ihr vielleicht die andere nehmen wollt, die Jobstin, die ist noch einigermaßen -

A

Die Winklerin.

B

Jaja, hab verstanden. Aber ich garantiere für nichts. Wenn ihr neu im Amt seid, wisst ihr vielleicht auch nicht, was euch da blühen kann. Ihr wisst schon, dass die höllischen Geifer spuckt und den Bösen Blick hat.

 (ein weiterer Büttel mischt sich ein)

C

He Jorg, was ist denn los? Können wir nicht weiter karten?

B

Warte Martl, da will einer zur Winklerin.

C

Was, zur Winklerin? Ja wozu denn das?

B

Es ist der neue Landrichter.

A

Und der neue Landrichter wird euch gleich Beine machen, wenn da nichts weiter geht. Los los jetzt.

B

(brummt, nimmt den Schlüsselbund, der neben ihm auf dem Boden gelegen hat)

Folgt mir. Passt aber drinnen auf den Boden auf, der ist ziemlich glitschig. (schlägt mit der flachen Hand gegen das Tor). He Hons, mach die Luke auf. Wir haben Besuch.

C

Du kommst nachher?